Rocky Helene und die letzten Männer

SOMMERSZENE 2023

09/05/23 14 Produktionen an 13 Tagen in zwei Museen, einem Schlosspark und in der ganzen Altstadt: Die Sommerszene will von 12. bis 24. Juni wieder einmal „die Stadt zur Bühne“ machen. Szene-Intendantin Angela Glechner präsentierte das Programm.

Von Heidemarie Klabacher

@gold extra„Polka Chinata“ heißt ein italienischer Balztanz, der ursprünglich nur von Männern getanzt wurde, auf das 19. Jahrhundert zurückgeht und 2018 nur noch von fünf Personen (Männern, nehmen wir an) beherrscht wurde. Dem Vergessen entrissen hat den Tanz der Choreograph Alessandro Sciarroni, der mit Save the last dance for me jenen vom Aussterben bedrohten Volkstanz präsentiert. Sciarroni habe die in Vergessenheit geratene Tradition belebt, berichtet Angela Glechner, und „eine wunderbare Reminiszenz an die italienische Volkskultur“ geschaffen. Getanzt wird im DomQuartier.

Sehr Salzburgisch geht es zu bei On the Rocks. „1617 fand im Steintheater in Hellbrunn die erste musikalische Darbietung statt, ein Pastoral, das dem Erzbischof Markus Sittikus gewidmet war und von dem Sänger Francesco Rasi interpretiert wurde“, schildert die Szene wenig aufregend eine für die Musikgeschichte Salzburgs schon aufregende Sache.

©Bernhard Müller2023 jedenfalls bespielt die Salzburger Choreographin Helene Weinzierl mit ihrer Truppe CieLAROQUE die Bühne im Felsentheater von Hellbrunn. On the Rocks interessiere sich für „Begegnungen, das Miteinander, die wechselseitigen Beziehungen, die sich über unmittelbare oder mittelbare Kontakte zwischen zwei oder mehreren Personen ergeben“. Die Location allein sollte für Spannung sorgen. Ebenfalls unter freiem Himmel, auf einer Wiese im Schlosspark Hellbrunn, gastieren Agata Maszkiewicz & Superamas mit der poetischen Lichtinstallation Zero to Infinity.

Den Anfang macht Klassisch-Zeitgenössisches. Ein „hypnotisches Ballett“ auf eine legendäre Komposition von Steve Reich eröffnet die Sommerszene: Der französische Choreograph Olivier Dubois schuf das Stück Come out 2019 für das Ensemble des Ballet de Lorraine. Für Salzburg erarbeitet er eine neue Version mit der Truppe Bodhi Project und Studierenden der SEAD.

@Bernhard MüllerIm Mittelpunkt steht das von Steve Reich 1966 komponierte Werk Come out. „Reich collagierte Stimmaufnahmen junger Afroamerikaner, die in einen Mord in Harlem involviert waren, und löste damals einen gesellschaftlichen Aufschrei aus“, erinnert Angela Glechner an ein Stück Musikgeschichte der Gegenwart. „Inspiriert von der ungebrochenen politischen Relevanz des Themas, entwickelt Dubois eine fünfzigminütige Choreographie, die den Widrigkeiten des Lebens Widerstand entgegensetzt.“ Insgesamt bilden „Tanzstücke, die durch ihre prägnanten choreographischen Handschriften beeindrucken“ den Programmschwerpunkt der Sommerszene 2023, sagte Angela Glechner bei der Programmpräsentation heute Dienstag (9.5.) in der Szene Salzburg.

©Reinout HielMusik, Stimme, Licht und ein Derwisch-Tanz sind die Zutaten, die den Abend Ghost Writer and the Broken Hand Break von Miet Warlop zu einer hypnotischen Show machen sollen. Ein starkes politisches Statement zu seiner Heimat Brasilien sende der Choreograph Bruno Beltrão mit seiner New Creation, während sich Silvia Gribaudi aus Italien in Graces auf humorvolle Weise mit der eigenen Biographie auseinandersetze.

gold extra & Kollektiv Kollinski sozial haben sich zusammengetan, um Leerstand zu füllen. We Care lautet der der Titel: Im Leerstand liegen die Reste der Party, mittendrin die Schauspielerin Susanne Lipinski zusammen mit ihrer Personal Assistant Sara am Smartphone. Aus dem Rest vom Fest entsteht ein Panoptikum der Gesellschaft.“ We care spricht über die Arbeit, über die niemand spricht: „Putzen, Pflege, rund um die Uhr und zu Randzeiten.“

@Bernhard MüllerJule Flierl und Irena Z. Tomažin begeben sich mit U.F.O.- Hommage to Katalin Ladik auf die Spuren der Musikerin, „die als Yoko Ono des Balkans bezeichnet wird“. Dagegen hinterfragt Jasmine Ellis mit ihrem interdisziplinären Solo Reality Warping die Beziehung zwischen digitaler Existenz und analogem Selbst. Eine neue Version ihrer Performance Emancipation of Wonder bringt das in Graz ansässige Duo Navaridas & Deutinger, „das mit den Blicken von Kindern durch einzelne Ausstellungsräume des Salzburg Museums führt“. Das Festivalfinale in Kooperation mit dem Museum der Moderne Mönchsberg choreographiert die italienische Künstlerin Marinella Senatore mit The School of Narrative Dance als eine hundertköpfige Parade durch die Altstadt.

Sommerszene 12. bis 24. Juni – www.szene-salzburg.net
Bilder: Sommerszene / Gold extra; Bernhard Müller (2); Reinout Hiel