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Die vier von der Baustelle

SOMMERSZENE / HUNGRY SHARKS

18/06/22 Zuerst spielt sie nicht mal eine Nebenrolle, wird kurzerhand beiseite geschoben, während sich zwei Tänzerinnen mit dem händischen Verrühren von Fertigbeton redlich abmühen. Aber das Grande finale wird ihr gehören. Ein klobiger, unansehnlicher Star. Und doch, an zwei Seilen pendelnd, eine irgendwie schwerelos anmutende Partnerin: die Beton-Mischmaschine.

Von Reinhard Kriechbaum

Valentin Alfery und Dušana Baltić sind derzeit mehr als gut beschäftigt in Salzburg. Sie sind ja fürs Programm der kulturschiene am Bahnhofsvorplatz verantwortlich, und obendrein ist ihre Tanzkompagnie Hungry Sharks bei der Sommerszene eingeladen: Béton Brut heißt die spektakuläre Tanzproduktion, die am Freitag (17.6.) gebührend umjubelt wurde.

Eine aufs Erste höchst eigentümlich anmutende Idee, nach Wechelswirkungen zwischen urbanem Tanz und einer Hardiner-Ausprägung von Architektur, dem Brutalismus, zu suchen. Aber es hat was: Was Architelten in den 1950er und 1960er Jahren aus Beton hingeklotzt haben, irritiert zwar viele Menschen bis heute (ein Reiz-Bau nach wie vor hierzulande ist etwa Garstenauers Kongresshaus in Badgastein). Aber der Brutalismus steht natürlich für eine eigene Ästhetik. Die vermeintliche Rohheit ist Reaktion, steht radikal gegen nichtssagende Nachkriegs-Gefälligkeit. Auch Urban Dance will anecken. Er will mit „Roughness“ sozial aufmischen.

So also Béton Brut als erst befremdliche, in kürzester Zeit aber fesselnde Tanz-Show. Nicht Die Drei von der Tankstelle, sondern Vier von der Baustelle. Der zuerst angerührte Beton wird in zwei kleine Holzkisten gegossen. Zwei Schuhe werden reingedrückt. Man ahnt es, daraus wird wüstes Gehwerkzeug. Schwergewichtige Siebenmeilenstiefel als Antithese zum wendig-geschmeidigen Urban Dance. Diesem wiederum eignet aber auch eine starke „brutalistische“ Komponente. Breakdance setzt athletische Kraft voraus. Nichts für Zarterln. Die Muskeln spielen eine mindestens so große Rolle wie die ausgefeilte Technik.

An beidem setzt Valentin Alfery mit seiner Choreographie an, die er aus einer Grundbewegung heraus entwickelt: dem Six Step. Für jene, die nicht vertraut sind mit dem Vokabular des Urban Dance: Da hockerlt man, greift mit den Händen auf den Boden, und die Beine beschreiben einen Kreis rund um den Körper. Das geht sich mit sechs Schritten gut aus, und wenn man in den richtigen Flow kommt, wirkt's wunderbar leichtfüßig. Aus betonhafter Schwere, quasi aus dem Buchstabieren von Grundformen des Breakdance, entwickeln die vier Tänzerinnen und Tänzer hinreißende Sequenzen. Man lernt wie nebenbei auch einiges über die tänzerische Architektur des Breakdance und über die gymnastisch-technischen Kniffe, die da zum Eiinsatz kommen. Tanz als aufgelöste Baukunst, als gebaute Bewegung. Das Motto Béton Brut wird absolut eingelöst im kraftvoll bewegten Metier.

Ja, die Mischmaschine! Mit der treibt man's gegen Ende der einstündigen Tanzperformance am Boden, und schließlich wird sie an zwei Seile gehängt und zum Pendel, Hat man erst mal begriffen, dass vom bedrohlichen Ding keine unmittelbare Gefahr ausgeht, fürchtet man auch nicht um die Tänzerin, die mit dem pendelnden Unding eine gar nicht spektakuläre, aber ästhetisch einnehmende Finalnummer hinlegt. Zuletzt reitet sie auf der Mischtrommel wie Münchhausen auf der Kanonenkugel. So wird das enthusiasmierte Publikum entlassen, je nach Belieben mit ur-schweren oder ganz leichten Gedanken über ein so umstrittenes wie allgegenwärtiges Baumaterial und eine Tanzform, die für Schwere und Leichtigkeit in einer diffusen Gesellschaft steht.

Zweite Aufführung heute Samstag (18.6.) um 20 Uhr in der Szene Salzburg – Die Sommerszene dauert bis 24. Juni – www.szene-salzburg.net
Bilder: Szene / Christine Miess

 

 

 

 

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