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Beim dritten Anlauf mausetot

PREMIERENREPORTAGE / CARMEN

23/05/22 Ein wenig hat man sich am Freitagabend (20.5.) wie in der Arena von Verona gefühlt – und war doch froh, nicht dort zu sein. In der Arena gibt’s ja kein schützendes Zeltdach, nur hauchfeine „impermeabili“. In Liefering Downtown ist man besser dran.

Von Reinhard Kriechbaum

Kein Wölkchen hatte noch in der Pause der Carmen-P emiere den Salzburger Himmel getrübt. Anderthalb Akte später hat die Sache ganz anders ausgesehen und sich geradezu apokalyptisch angehört. Da ging ein Ungewitter über Liefering nieder, dass man schon ums Zelt des Landestheaters fürchtete. Von Carmen und Don José war da, wiewohl sie ihre letzte Auseinandersetzung nicht im Piano führen, unter dem Geprassel nichts mehr zu hören. Ging gar nicht anders, als die Szene abzubrechen, knappe zehn Minuten vor dem Finale.

Für eine solche Zwangspause macht sich bezahlt, wenn man wie in dieser Aufführung echte Artisten bei der Hand hat. Zirkusleute, schon gar solche aus dem Ausbildungsfeld des Nouveau cirque, lassen sich nicht so leicht unterkriegen. Und so hat einer, sichtlich erfahren mit Improvisation, das Publikum mit einem Flaschen-Balanceakt bei Stimmung gehalten. Und eine Kollegin hat effektvoll die Peitsche geschwungen. (Ganz ehrlich gesagt: Salzburger Aperschnalzer können das viel besser.)

Aber jetzt kommt's. Nicht alle Premierengäste haben den Artisten zugeschaut, einige machten sich Richtung Buffet auf, wo's offensichtlich geruhsamer zuging als am Gewitterhimmel. Jedenfalls ging es bald weiter mit der Vorstellung. Auftritt Carmen, der nichts Gutes schwant. Der eifersuchtswütige Don José naht. Neben ihm unterwegs: eine unbedarfte Zuschauerin mit Getränk. Sie hat offenbar nicht mitbekommen, dass da schon auf Leben und Tod gespielt wurde. Das Publikum konnte sich nicht einkriegen. So unfreiwillig komisch war die Szene, also neuerlicher Abbruch. Dritter Versuch. Jetzt endlich durfte Carmen sterben, 35 Minuten später als geplant.

Ein Carmen-Finale, das man im Gedächtnis behalten wird. Eine typische Geschichte für Autobiographien. Ob wir sie mal irgendwo lesen werden?

Bild: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall
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