Don’t dream it, be it

LANDESTHEATER / THE ROCKY HORROR PICTURE SHOW

07/10/19 Die Rocky Horror Picture Show oder vom Mut des Landestheaters, auf den Brettern der Welt das Spiel des Lebens zu feiern. Kein Stück steht dafür besser ein als das Trash-Musical O’Briens aus dem Jahr 1973.

Von Erhard Petzel

Die Verfilmung der Rocky Horror Picture Show wurde zum Kultprojekt einer in höchstem Maße aktivierten Fangemeinde, die im strapsigen Outfit der Figuren durch die Straßen flanierte und vor den Leinwänden in aller Welt die Show mitvollzog. Da ist das Risiko für das Haus hoch und sein Mut zu bewundern – ist doch der Film ein übermächtiger Maßstab.

Marco Dott nimmt die Herausforderung an. Wer, wenn nicht er, bietet sich aufgrund seiner bisher gesammelten Meriten als Regisseur an? Wie O’Brien verkörpert er dazu die Quasimodo-Rolle des tückischen Riff-Raff, als wäre er der Zwilling des Originals. Natürlich hält die Theaterbühne nicht die gleichen Möglichkeiten wie ein Film-Set bereit (selbst bei einer Low-budget-Produktion), sodass etliche Details vereinfacht und vergröbert gezeichnet sind. Aber vermittels Projektionen, zweier Aufbauten auf der Drehbühne und einem Glitter-Vorhang schafft Christian Floeren einen praktikablen und stimmigen Raum, in dem die Geschichte wirksam erzählt werden kann.

Eine sehr hübsche Idee ist beispielsweise das von einer Menschentraube gebildete Auto mit überdimensionalen Scheibenwischern. Die eigenständige Zeichnung der Figuren unterstreicht den Schatz an hauseigenen Kräften. Sebastian Smulders ist nicht nur ein ansehnlicher Rocky, seine Verwirrung und Panik ist glaubhafter ausgearbeitet als beim Original, wenn er von seinem Erzeuger herrisch begehrt wird. Ebenso die Zuneigung, die sich zur fürsorglichen Janet (Patrizia Unger) aufbaut. Benjamin Oeser heimst als geiler Frank’n’Furter zurecht Jubel ein, hat doch gerade er das schwerste Los mit einem unerreichbaren Filmvorbild. Conny Lüders verzichtet bei seinem Kostüm auf die Anspielung eines Lust-Vampirs und lässt ihn zum weißen Alien-Angel mutieren.

Christoph Wieschke rockt nicht nur den hirnamputierten Eddie, sondern fährt mit einer Rollstuhl-Sonderrunde Bühnenapplaus ein. Sein Dr. Scott erfährt in der Schlussszene als wertende Autorität eine erweiterte Bedeutung. Martin Trippensee reizt als etwas wohlstandspummeliger Brad Majors. Auch Anja Clementi als Magenta und Sophie Mefan als steppende Columbia geben ihren Rollen ein neues Gesicht. Das Personal samt den Phantomen wird von Josef Veseley und Kate Watson durchchoreografiert und von der Salzburger Rocky Horror Band unter Wolfgang Götz geclamrockt.

Das alles funktioniert bestens und das Publikum geht lustvoll mit. Ob das Anreizen der Fan-Attitüden (für 10 Euro ersteht ein Action-Bag, wer sich Spritzpistole, Gummihandschuhe und anderes Zubehör zum Kommentieren des jeweiligen Action-Auslösers nicht von Zuhause mitnimmt) einer kulturellen Intensivstation zur Erhaltung lebenswichtiger Funktionen eines Bühnenzombies gleichkommt oder eine neue Kultwelle auszulösen imstande ist, wird sich weisen. Jedenfalls eine sympathische Art, das Haus zu unterstützen. Die fliegenden Leuchtstäbe haben durchaus ihren Reiz und die mitgepackte Zeitung ist ein herrlicher Schmarrn als Rocky-Horror-Gazette.

Das Abonnement-Publikum deckt immerhin ein Alterssegment ab, das ausgelassenes Mittanzen und -singen als Auffrischen eigener Jugendeuphorie erleben kann. Den Jungen würde der Spaß auch nicht schaden. Die Bedingungen eines kleinen klassischen Theaters sind dafür zwar beengend, dafür ist man sich nah. Wenn sich die Produktion zum Happening als Selbstläufer entwickelt, darf man sich wünschen, dass der Film in seinem eleganten Understatement Vorbild bleibt und die Crew nicht auf derbes Outrieren setzt, das im Musicalbusiness immer wieder als expressiv missverstanden wird. Der Versuchsballon ist gestartet. Ob das Publikum im Sinne von „Don’t dream it, be it" zur breiten Massenkatharsis bereit ist, wird mit Spannung erwartet. Lustig wär’s.

Aufführungen bis 20. Februar 2010 – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger