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Frische Noten. Frischer Wind.

SALZBURGER ADVENTSINGEN / STILLE NACHT

30/11/18 Ein historisches „Spiel im Spiel“ und zugleich ein lockeres, heiteres, ja fast „modernes“ Adventsingen gilt in seinem Jubiläumsjahr dem Lied Stille Nacht. Dass Protagonisten und Publikum zum guten Schluss das Lied der Lieder singen, wie niemand sonst, versteht sich.

Von Heidemarie Klabacher

Maria ist eine fröhliche junge Frau, die sich auf ihr erstes Kind freut, ihr erstes Babyhäubchen strickt und stolz ihrem Freund zeigt. Josef ist ein glücklicher werdender Vater, fürsorglich und heiter. Keiner der beiden schert sich einen Deut darum, dass die Herkunft des Kindes ein wenig zweifelhaft ist. Die üblichen Klatschmäuler, die sich selbiges über Maria und ihr Bankert zerreißen, kommen in der aktuellen Fassung des Salzburger Adventsingens im Großen Festspielhaus nicht zu Wort. Keine Zweifel nagen an Josefs treuem Vertrauen.

Der Engel, der elegant, flink und grazil wie eine Balletteuse durch das Städtchen Oberndorf huscht, sich auf dem Kirchenhügel materialisiert, im nächsten Augenblich auch schon wieder am anderen Ortsende über Marias Häuschen, hat ganze Arbeit geleistet. Alles paletti zwischen Maria und Josef.

Dann zum falschen Augenblick die unselige Aufforderung, sich in „Steuerlisten eintragen zu lassen“. Könnte von unserem Innenminister kommen. Reine Schikane armer Menschen hat’s wohl im alten Rom und alten Jerusalem genauso gegeben, wie im modernen Wien. Maria besteht, trotz ihrer „Umstände“ darauf, Josef zu begleiten, überschätzt allerings ihre Kräfte…

Was an diesem Adventsingen auffällt, ist seine Lockerheit. Da ist keine Gottesgebärerin oder sonst eine statuarische Dei genitrix aus Theologie oder Kunstgeschichte unterwegs. Sondern eine junge Frau von heute. Trotz ihrer ikonographisch und kostümgeschichtlich korrekten Gewandung von Hellmut Hölzl in Hellblau und Rosa. Wenn die beiden dann auf dem Weg sind, trägt Maria einen Umhang, der aus dem übermüdeten und geschwächten schwangeren Mädchen eine Königin auf dem Weg ins Exil macht. Beeindruckende Bilder sind das.

Regisseurin Caroline Richards hat, mit Personen und ihren Darstellern, hervorragende Arbeit geleistet, hat damit die ohnehin sich jährlich neu erfindende Groß-Besinnung wieder um weitere Jahre „jünger“ gemacht. Ihre Lichtregie im Oberndorf-Bühnenbild von Dietmar Solt weckt den Eindruck erstaunlich naturgetreuer Tages- und Nachtwechsel. Ohne plattem Realismus zu huldigen, entstehen eindrückliche Bilder.

Die Musik, die Clemens Vereno komponiert hat, historische Lieder und Weisen mit dem Neuen subtil verbindend, wird von Volksliedchor, Solistensextett, Solisten und Instrumentalisten unter der Leitung von Herbert Böck qualitätsvoll interpretiert wie eh. Ebenso ohne Redundanzen oder Sentimentalitäten auf den Punkt gebracht, wie das eigentliche Stück, das Hans Köhl, künstlerische Gesamtleiter und Textverfasser, als Spiel im Spiel konzipiert hat: Im Städtchen Oberndorf des Jahres 1818 sind die Kirchensänger und die Schöffleut-Theaterspieler zusammen gekommen, um ein Weihnachtsspiel zu proben. Die Orgel ist verstimmt, der Lehrer hat sicherheitshalber einen Text des Hilfspfarrers vertont.

Musikalisches Herzstück ist das grandiose Magnificat von Clemens Vereno, das sich von Mariens Triumphgesang über ein Duett mit Elisabeth geradezu zu einem politischen Statement aller Beteiligen entwickelt - und auch die leeren Quinten nicht ausspart, wenn die Reichen „leer“ ausgehen. Ein Highlight, rein musikalisch: Der so komplexe wie archaische Jodler, den das Solistensextett, die hervorragenden Mühlviertler Vokalsolisten, anstimmt, um die Hirten auf den Weg zu bringen.

Wenn es heißt „Es hat sich halt eröffnet, das himmlisch Tor“, purzeln die Buabalen und Madalen tatsächlich ganz haufenweis hervor und bezaubern mit ihrem Spiel, das genau die richtige Zahl an Scherzen und Pointen aufweist, also ebenfalls von der Regisseurin virtuos auf den Punkt gebracht wurde. Auch hier kein weihevolles Erstarren der Hirten auf dem Felde, die „hüteten ihre Herden des Nachts“. Sondern fröhliches Treiben (aber das gilt ohehin alle Jahre wieder).

Ach ja, die Namen: Simone Vierlinger, Maria und Heilerin. Bernhard Teufl, Josef und Hilfspriester Mohr. Elisabeth Eder, Engel und Bettlerin. Maria Gmeinder, Elisabeth und Messnerin. Edwin Hochmuth, Hirtencapo und Einleger. Florian Eisner, zweimal Wirt. Konstantin Schrempf, Orgainist und Organist Gruber.

Und dann, nach dem Andachtsjodler die Überraschung. Das Publikum will, wie gewohnt, sich aus dem Stand zum Aufbruch richten. Da geht es weiter auf der Bühne. Alles setzen. Das neu komponierte Lied! „Frische Noten“, ruft wie vor jeder Probe und Aufführung in der Aufführung der Hirtencapo und verteilt Blätter.

Zuerst Mohr und Gruber mit der Gitarre. Wobei Bernhard Teufel, der Darsteller des Hilfspfarrers Josef Mohr, eigens für diese Nummer Gitarre spielen lernen musste. Grad so viel, dass es für einen Auftritt im Großen Festspielhaus reicht. Konstantin Schrempf, der Darsteller des Organisten Gruber, ist der langjährige und verdiente Organist des Adventsingens. Er musste für diesen Auftritt singen lernen. Auch grad soviel, dass es für einen Auftritt im Großen Festspielhaus reicht.

Die erste Strophe von Stille Nacht im Männer-Duo war genauso bewegend (und musikalisch perfekt), wie die zweite, die die Schar der Hirtenkinder anstimmte. Den singenden und schauspielernden Hauptdarstellern gehörte die dritte Strophe, dem Solistenextet und dem Salzburger Volksliedchor die vierte und fünfte. Da ist man textlich schon in recht unbekannten Gefilden.

Der Text wurde via Übertitelung eingespielt, so konnte das Publikum mitlesen, und die im Grunde ja wirklich fast „politischen“, kaum gesungenen Strophen reflektieren. Zur sechsten Strophe stand das Publikum auf, wie ein Mann, und stimmte ein in den wiederum allseits bekannten Text mit der Zeile „Hirten erste kund gemacht“, welche meist als dritte gesungen wird.

Salzburger Adventsingen Stille Nacht im Großen Festspielhaus - alle Aufführungen sind ausverkauft, Restkarten kann es geben - www.salzburgeradventsingen.at
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Spiel im Spiel um Stille Nacht
Bilder: Salzburger Adventsingen / Neumayr

 

 

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