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Halbschuhtouristen und ein Philodendron

PNEU / IVANA MÜLLER, CECILIA BENGOLEA

22/01/18 In ihrem Theaterstück „Positions“, zu sehen gewesen 2014 bei der Sommerszene, ist Ivana Müller mit einem Stuhl und ein paar Papierblättern ausgekommen. Damals ging's ums liebe Geld. So gesehen ist ihre jüngste Produktion, „Conversations Out of Place“, geradezu verschwenderisch ausgestattet.

Von Reinhard Kriechbaum

Eine mehr als mannshohe Pflanze, eingesetzt in eine kleinen pyramidenförmigen Erdhaufen, steht auf der Bühne. Die vier Darstellerinnen und Darsteller hüllen sich bei Bedarf in Anoraks, Regenmäntel. Für einje vieljährige Reise sind sie mit ihren etwas größeren City-Bags vielleicht nicht ganz optimal ausgestattet, aber Schlafsäcke haben drin schon Platz. So etwas braucht man nämlich, wenn man plötzlich der Natur ausgesetzt ist – auch wenn diese auf ein einziges Gewächs reduziert ist und das Ding sein grün eher traurig hängen lässt. Vegetation, die Ihresgleichen alle Ehre macht: sie vegetiert.

Ob die Menschen, die das Gewäch fünfzig Minuten lang in Zeitlupenbewegungen umkreisen, vegetieren auch auf ihre Art und Weise. Szene um Szene vergeht die Zeit, „viele, viele Jahre später“ ist die letzte Angabe. Die vier Leute haben also alle Zeit der Welt, um über mögliche Wege, ihre gemeinsame Strecke, das abhanden gekommene Ziel, die Natur und ihr Verhältnis zu ihr zu philosophieren. Oder sagen wir: zu reden. Währenddessen rinnt von hinten (auch ganz langsam) ein Wässerchen herein und bildet Läckchen auf der grauschwarzen Plane, die die Spielfläche in der ARGEkultur-Spielfläche bedeckt.

Wie sich die Leutlein anstellen, um die Mini-Pfützen zu überqueren, hat fast Slapstick-Anmutung. Und etwas von verbalem Slapstick eignet auch dem von Ivana Müller und dem Ensemble (Hélène Iratchet, Julien Lacroix, Anne Lenglet, Vincent Weber) gestrickten Small talk. Das geht so normal wie banal dahin, und dann werden doch urplötzlich große Fragen gelassen ausgesprochen und unverfroren lapidar beantwortet. Das ist immer witzig, oft hinterlistig. Zum hell Auflachen ist es eigentlich immer eine Spur zu traurig. Was sind wir Menschen, wie wir so durch die Natur-Zivilisation staksen, doch für armselige Wesen. Werden die Pflanzen uns vermissen, wir nicht mehr da sind, fragt einer gegen Ende. Gewiss doch, und wahrscheinlich stehen sie dann so traurig da wie das Bühnengrün, dem man am Abend der ersten Aufführung (Freitag, 19.1.) jedenfalls ganz innig eine Gießkanne gewünscht hätte.

Einen Anspruch hat das am Samstag (20.1.) zu Ende gegangene Festival PNEU der Szene Salzburg ganz gewiss nicht eingelöst: dass man in den sechs Tagen mit neuen performativen Ansätzen und vor allem mit neuen Namen überschwemmt worden wäre. Von Superamas über Maria Jerez und Michikazu Matsune bis zu Ivana Müller: Sie alle sind über Jahre lieb gewordene Szene-Gäste. Es hat sich heuer vielleicht noch deutlicher aufgedrängt, was man in den vergangenen, biennal veranstalteten PNEU-Festivals, schon geargwöhnt hat: Eine bestens vernetzte Szene, eigentlich eine aufeinander eingeschworene Gemeinschaft, macht da internationale Kooperationen, um auf diese Weise EU-Geld für sich zu lukrieren. Eh nicht schlecht, dass das gelingt. Und weil man - abgesehen von den Abendveranstaltungen - zuschauermäßig ziemlich unter sich bleibt, hat die Sache etwas Familiäres, Überschaubares. Eh auch nicht unsympathisch. Aber vielleicht wären Impulse von außen dringlich gefragt, und jedenfalls ein bisserl mehr Distanz zum eigenen Weltverbessern und Sinnfinden.

Mit ihrem latenten Humor ist Ivana Müller nämlich eher die Ausnahme. Eine Ausnahme im heuer doch insgesamt eher verschlurft-hintersinnigen Angebot war auch das schmissige Tempo des abschließenden PNEU-Abends für den die gebürtige Argentinierin Cecilia Bengolea ein Stück mit dem netten Titel „Sound of the Trap“ erdacht hat, umgesetzt zum zehnjährigen Bestehen der Tanzkompanie BODHI PROJECT mit Leuten aus dem SEAD. Für das siebenköpfige Ensemble entwickelte sie ein turbulentes Stillleben aus Symbolen, historischen Anspielungen und zeitgenössischen Tänzen. Jamaikanischer Dancehall, argentinische Cumbia, bolivianischer Tanz des Windes, ungarische und österreichische Volkstänze treffen auf Mozart, Afro-Trap und eine zeitgenössische Bearbeitung von Melodien aus The Sound of Music.

Bilder: Szene Salzburg / Bilder: Bernhard Müller

 

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