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Rauschen im Blätterwald

ARGEkultur/TANZ_HOUSE FESTIVAL / NOISE

24/10/16 Medienhetze ist eine Lesart. „Noise“ heißt das neue Stück der  Star-Performer Judith Sánchez Ruíz und Edivaldo Ernesto. Noise, und zwar richtigen Lärm, macht punktuell die Musik von Thomas Proksch, als virtuose und virtuos gesetzte dramaturgische Klammer.

Von Heidemarie Klabacher

In Sakko und Gehrock absolvieren Judith Sánchez Ruíz und Edivaldo Ernesto ihre „Aufwärm-Übungen“. In sich gekehrt, ganz nebenbei, entwickelt jeder für sich kleine Soloszenen, während der oder die jeweils andere in korrekter Haltung auf einem Sessel am Bühnenrand sitzend unbeteiligt zuschaut. Doch dann scheinen Elemente aus dem Bewegungsrepertoire des einen auch in der Performance der anderen aufzutauchen – und umgekehrt. „Noise“ dauert nicht einmal eine Stunde, dennoch scheinen sich Judith Sánchez Ruíz und Edivaldo Ernesto alle Zeit der Welt zu nehmen, um aus den parallel laufenden Bewegungsfäden – über ein beinahe klassisches Pas de Deux – ein immer dichteres Gewebe immer intensiver werdender Spannung zu knüpfen.

Abstrakter und ironischer kann Gesellschafts-, Medien- oder sonstige Kritik kaum ausgedrückt werden: Zunächst fragte man sich am Samstag (22.10.) bei der Uraufführung in der ARGEkultur noch, was es denn mit den vielen Zeitungen auf sich haben könnte, die vom Bühnenrand herbeigeschleppt wurden. Nichts als Staub steigt auf, wenn alte Zeitungen auf den Tisch geknallt werden (und sei es Die Zeit). Staub und Schall und „Rauch“ steigt auf, wenn Zeitungen – zunächst wütend angestarrt und durchgeblättert – alsbald zerknüllt, zerfleddert und zerrissen werden.

Wenn die Performerin verschüttet wird von kläglichen Altapierfetzen und dabei auch noch heftig raffend mithilft, ist das eine so plakative wie ironische „Medienkritik“. War das Opfer ein Medienkonsument, zugemüllt mit Desinformation? Oder war es ein einer Medienmeute gehetztes Mitglied irgendeiner ungeliebten Minderheit? Oder war es jemand, der unbedingt in die Zeitung wollte und die Geister nicht mehr los wurde, die er da gerufen hat? Der Lesarten sind viele. Spannend jedenfalls, dass Judith Sánchez Ruíz und Edivaldo Ernesto allzu simple Botschaften vermeiden und die, gerade die bei der künstlerischen Behandlung „tagespolitischer“ Themen, so bitter nötige abstrahierende ironische Distanz nicht verlieren.

Die elektronische Musik von Thomas Proksch ist wesentlicher Bestandteil der Performance und trägt ganz wesentlich zur suggestiven Wirkung von „Noise“ bei: Grundsätzlich auf einem strengen Rhythmus basierend, der von verschiedensten Schichten Geräusch- und Klangschichten überlagert ist, entwickelte Proksch für die ruhigeren Passagen einzelne beinahe an Arvo Pärt erinnernde Momente – die natürlich schon im jeweils nächsten Augenblick von „Noise“ hinweggefegt werden. Spannend!

Das Tanz_House Festival dauert bis Freitag (28.10.) und geht morgen Dienstag (25.10.) weiter mit den Uraufführungen „Anatomy of Effort“ und „Solo 2016“ von Tomaž Simatović und Milan Tomášik
Bild: ARGEkultur/Manuel Moncayo

 

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